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Formation Continue du Supérieur
17 août 2012

Bloß nicht am Tisch die Nase putzen

http://www.faz.net/img/fazlogo_ressort.gifStudienaufenthalte in China werden unter deutschen Studenten immer beliebter. Doch viele erleiden im Reich der Mitte anfangs einen Kulturschock. Eine gute Vorbereitung hilft dabei, das zu vermeiden.
Wenn es um ihren Studienaufenthalt in China geht, ist Zeynep Topal erfrischend ehrlich: „Es gab Augenblicke, die ich nur schwer verkraften konnte, in denen ich den Tränen nah war“, sagt die 26 Jahre alte BWL-Studentin. Niemals wird sie den Moment vergessen, als sie auf der Suche nach einer öffentlichen Toilette war und feststellen musste, dass die Toilettenkabinen keine Türen hatten. „Alles war offen einsehbar. Ich dachte: Das geht doch nicht, das darf doch nicht wahr sein!“, erinnert sie sich.
Im Rahmen ihres Bachelors in „Banking und Finance“ an der Fachhochschule Köln hatte Topal im Herbst 2010 an einer Summer School ihrer Partnerhochschule, der Dongbei-Universität in Dalian, teilgenommen. „Eine für chinesische Verhältnisse kleine Stadt“, berichtet die Studentin. „Das ist nicht Peking oder Schanghai. Das ist ein echter Kulturschock.“ Sie meint das nicht negativ. Denn trotz aller schwierigen Situationen ist Topal im Rückblick begeistert von ihrem China-Aufenthalt. „Was ich dort erlebt habe, lässt sich mit keiner anderen Erfahrung vergleichen“, sagt sie. „Es hat mich für mein Leben geprägt.“
Zwischen Lachen und Weinen
Schock und Begeisterung, Lachen und Weinen - so gegensätzlich wie China als Land ist, so gegensätzlich sind auch die Gefühlslagen, in die es junge Austauschstudenten stürzen kann. Eine Tatsache ist: Es werden immer mehr. Waren im Jahr 2010 noch 4800 deutsche Studenten zu einem Studienaufenthalt nach China aufgebrochen, so gingen 2011 schon 5300 für einige Zeit in das asiatische Land. Im Jahr 2015 sollen es möglichst 20 000 Studenten sein; auf dieses Ziel haben sich Deutschland und China in ihren Regierungskonsultationen geeinigt. „Es wird ziemlich sicher erreicht werden“, prophezeit der Referatsleiter China des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Niels Albers. „Denn das Interesse der deutschen Studenten an China wächst stetig.“
Ganz selbstverständlich ist das nicht. Bekannt ist eher das umgekehrte Phänomen: chinesische Studenten in deutschen Hörsälen; mehr als 22 000 waren es im vergangenen Jahr. Seit Jahren bildeten die Chinesen die größte Gruppe der ausländischen Studierenden in Deutschland, wie das HIS-Institut für Hochschulforschung berichtet. In China gilt ein Auslandsstudium im Westen schon lange als ein Punkt, der den Lebenslauf schmückt und die Attraktivität für potentielle Arbeitgeber steigert. „Das gilt mittlerweile aber auch umgekehrt“, weiß Niels Albers vom DAAD. „Immer mehr Unternehmen suchen Mitarbeiter mit China-Erfahrung.“ In Zeiten wachsender Bedeutung der chinesischen Märkte wachse das Interesse an Arbeitnehmern, die das Land kennen und möglicherweise auch Bereitschaft zeigen, für eine Weile dorthin zu gehen.
An einem Tag so viele Vokabeln wie sonst in einer Woche
“Für ein Auslandsstudium nach China zu gehen, das macht man aber nicht einfach so nebenbei“, berichtet Tobias Roß. Der 25 Jahre alte Bremer Bachelorabsolvent des Fachhochschul-Studiengangs „Angewandte Wirtschaftssprachen“ war schon insgesamt dreimal in China, beherrscht die Sprache und hat sich auf seine Aufenthalte gründlich vorbereitet. Trotz allem gab es für Roß viele überraschende Momente während seines Studiensemesters in Chengdu, einer kleineren Großstadt in der Provinz Sezuan.
“Besonders die Lernkultur hat es in sich“, berichtet er. Geprägt von Frontalunterricht und Auswendiglernen schwitzte Tobias Roß „wie nie zuvor in meiner Laufbahn“, sagt er. „Wir mussten an einem Tag so viele Vokabeln lernen wie in Bremen in einer Woche. Ich war oft so geschlaucht, dass ich nach der Uni erst mal einen Mittagsschlaf brauchte.“ Dazu kamen kulturelle Besonderheiten. „Dass man Vorlesungsinhalte vor versammelter Mannschaft in Frage stellt, das geht gar nicht“, sagt Roß. „Der Professor ist eine Autoritätsperson und fühlt sich dann extrem bloßgestellt.“ Allerdings habe er das vorher nicht gewusst und erst mühsam erfahren müssen, dass er Diskussionen mit der Lehrperson allenfalls im Vieraugengespräch führen sollte.
“Eine gute Vorbereitung auf das Land und seine Kultur ist wichtig“, sagt Niels Albers vom DAAD. Er empfiehlt vor allem die Lektüre vorbereitender Bücher und einen Chinesischkurs. „Die Sprache ist natürlich kompliziert und ein hoher Aufwand für einen Kurzaufenthalt. Aber es ist schön, wenigstens ein paar Grundlagen zu haben, um ein paar Worte mit dem Taxifahrer zu wechseln oder um einkaufen gehen zu können.“ Ohnehin sei aber das Absolvieren eines Chinesisch-Sprachkurses noch immer Hauptmotiv für die meisten Studenten, die nach China gehen, und somit oft eine Selbstverständlichkeit.
Zur Vorbereitung auf einen Aufenthalt im Land gibt es vereinzelt sogar interkulturelle Trainings, die extra für China-Interessenten zugeschnitten sind. Susanne Preuschoff, die an der Universität Köln die Asienbeziehungen betreut und an der Fachhochschule Köln im Studiengang „International Business“ lehrt, bietet solche Kurse an. Mit dem Wort „Chinability“ hat sie einen Begriff für das erfunden, was sie ihren Teilnehmern beibringen will: eine Mischung aus interkultureller Kompetenz und Handlungsanleitung für das Überleben im Land. Da werden Kurzvorträge über China in Bildern und Zahlen gehalten. Da gibt es kleine Spiele und Gruppendiskussionen. Und da wird gelehrt, dass man sich in China bei Tisch nicht die Nase putzen sollte oder dass eine Teekanne niemals mit dem Schnabel auf eine Person zeigen sollte, weil das Unglück verheißt. Preuschoffs Fazit: „In einem Land wie China ist auf einmal nichts mehr gesetzt. Man muss darauf vorbereitet sein, dass einem überall Unterschiede zum Gewohnten begegnen werden.“
Danke sagen gehört sich oft nicht

Diese Erfahrung hat auch Denise Nguyen gemacht. Die 26 Jahre alte Münchnerin ging während ihres Biochemie-Studiums nach China, um dort ihre Chinesischkenntnisse zu vertiefen. Schon in ihrer Schulzeit hatte sie begonnen, die Sprache zu lernen, „einfach weil es mich interessiert hat, etwas Komplizierteres zu machen als nur Französisch“, sagt sie. Weil ihr Vater aus Vietnam stammt, sei sie außerdem schon immer interessiert an Asien gewesen. China als Land hielt dann aber doch einige Überraschungen für sie bereit. „Der größte Kulturschock für mich war die Tatsache, dass man sich unter Chinesen nicht bedankt“, erinnert sich Nguyen. „Ich wohnte in einer Gastfamilie, die sich rührend um mich kümmerte und viel mit mir unternahm. Für alles, was sie für mich taten, bedankte ich mich überschwänglich. Bis mir meine Gastschwester sagte, dass das in der Familie und unter Freunden nicht üblich sei und an Beleidigung grenze.“ Bis heute tut Nguyen sich schwer mit dieser Gepflogenheit. Wieder zurück an der TU München, kümmert sie sich hin und wieder um chinesische Studierende und begleitet sie, etwa bei Behördengängen. „Dann muss ich immer schlucken, wenn sie hinterher gar nicht danke sagen“, sagt sie. „Bis mir wieder einfällt, dass das ein Kompliment ist.“
Trotz aller Bücher, Sprachkurse und Interkulturtrainings: „Völlig vermeiden lässt sich der Kulturschock in den meisten Fällen nicht“, ist Niels Albers vom DAAD überzeugt. „Dann ist es gut, wenn man andere Studenten aus dem eigenen Kulturkreis kennt. Die haben ähnliche Sorgen, mit ihnen kann man sich austauschen.“ Sich von Anfang an nur mit Chinesen umgeben zu wollen sei zwar ehrgeizig, führe aber oft zu Überforderung. Auch sei es sinnvoll, im Vorfeld mit China-Alumni in Kontakt zu treten. Das kann auch Tobias Roß bestätigen. „Ein Semester vor Ort Chinesisch zu studieren war Teil meines Studiengangs“, erzählt er. So wurde auch an seiner Hochschule eine Art interkulturelles Training durch die Professoren angeboten. Noch hilfreicher fand Roß aber die Gespräche mit Kommilitonen, die schon ihr Auslandssemester hinter sich hatten. „Solche Begegnungen nehmen die Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser.“
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