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Formation Continue du Supérieur
2 mai 2012

Bringt euch ein, Studenten!

http://www.epapercatalog.com/images/zeit-online-epaper.jpgSechs Jahre lang war Margret Wintermantel Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Jetzt zieht sie Bilanz.
DIE ZEIT:
Seit Anfang des Jahres sind Sie die neue Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Ihr altes Amt als Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) haben Sie noch vier Monate behalten. Wie geht das eigentlich, zwei Spitzenämter parallel auszufüllen? Margret Wintermantel: Auf Dauer geht das nicht. Darum habe ich es nur vorübergehend gemacht, bis jetzt mein Nachfolger bei der HRK gewählt war.
ZEIT: Dass Sie sich auf diese Hängepartie eingelassen haben, hatte mit der Führungskrise des DAAD zu tun. Seit dessen Präsidentin Sabine Kunst Anfang 2011 Wissenschaftsministerin in Brandenburg geworden ist, stand die größte Austauschorganisation der Welt ohne Chefin da. Ein unhaltbarer Zustand?
Wintermantel:
Einer, der Abhilfe brauchte. Jetzt aber können wir nach vorne blicken und die hervorragende Arbeit des DAAD vorantreiben.
ZEIT:
Blicken wir zunächst zurück. Sechs Jahre lang waren Sie Chefin der HRK, die nach eigenem Bekunden »die Stimme der Hochschulen« sein will. Als Sie antraten, hatte diese Stimme einen ziemlich behördlichen Klang. Hat sich das geändert?
Wintermantel:
Viele Kollegen sagen mir, dass die HRK heute schlagkräftiger ist. Manch einer vergisst, dass wir nur ein paar Dutzend fester Mitarbeiter haben – bei über 250 Hochschulen, die wir vertreten. Unter diesen Bedingungen möglichst effizient zu agieren und zu kommunizieren gehörte zu meinen wichtigsten Zielen. Und ich denke, wir haben es geschafft, als Reformmotor und Moderator im Hochschulwesen wahrgenommen zu werden.
ZEIT: Sie sagen: Reformmotor. Ihre Kritiker sagen: Die HRK hat sich bedingungslos der Bologna-Reform verschrieben. Manche sprechen von »Propaganda für den Bachelor«.
Wintermantel:
Unsinn. Mir lag und liegt am Herzen, dass wir der jungen Generation die bestmögliche Ausbildung ermöglichen. Gerade angesichts der enorm steigenden Studierendenzahlen. Nachdem die Politik nun einmal die Neuausrichtung der Studiengänge beschlossen hatte, mussten wir für einen Erfolg der Reform kämpfen und zu den vernünftigen Zielen dieser Reform – und zu den Stärken unserer Hochschulausbildung – stehen. Ich bin sicher: Es wäre ein unverzeihlicher Fehler gewesen, den Umbau auf halbem Wege zurückzudrehen.
ZEIT:
Hat es Sie geärgert, dass manch anderer Uni-Präsident und Bildungspolitiker angesichts aller Proteste gegen Bologna mittendrin umgefallen ist?
Wintermantel:
Ich habe mir manches Mal mehr Geradlinigkeit gewünscht. Es war schon damals für alle erkennbar, dass es nicht um ein Zurück gehen konnte, sondern um einen konstruktiven Dialog, in dem die notwendigen Kurskorrekturen vorgenommen werden mussten. Die Verunsicherung bei Studierenden, Schülern und Eltern wurde von manchen aus politischen Gründen unnötig geschürt.
ZEIT: Gar keine Selbstkritik in Sachen Bologna?
Wintermantel:
Ministerien und Hochschulen haben die Tiefe dieser Veränderung anfangs unterschätzt. Man muss sehen, dass parallel an einer Reihe weiterer Stellschrauben gedreht wurde: Einführung von Studienbeiträgen, neue Modelle der Budgetverteilung, mehr Wettbewerb in der Forschung. Das hat bei vielen Professoren zur Überlastung geführt – mit der Folge, dass Studiengänge aus Zeitnot mehr formal als inhaltlich umgebaut wurden. Mittlerweile sind die Probleme angegangen. Für die HRK sehe ich jetzt vor allem die Aufgabe, angesichts von inzwischen fast 16.000 Studiengängen mehr Orientierung für die Studierenden zu schaffen.
ZEIT:
Haben Sie sich in Ihren Jahren bei der HRK manchmal in den Hörsaal zurückgewünscht?
Wintermantel:
Ich bin auch in den letzten Jahren gern in Hörsäle gegangen und habe mit Studierenden gesprochen. Was ich vermisst habe, ist die konzentrierte Forschung mit meiner Arbeitsgruppe. Hochschulpolitik ist ein spannendes Feld, aber die Entwicklungen werden eben durch viele Faktoren bestimmt – auch solchen, die mit der Sache oder mit rationaler Erkenntnis wenig zu tun haben.
ZEIT:
War Bologna eigentlich die tiefgreifendste Veränderung, die die Hochschulen in Ihrer Amtszeit durchlaufen haben?
Wintermantel:
Bologna ist nur Teil eines umfassenden Veränderungsprozesses. In den Jahren, die ich HRK-Präsidentin war, haben sich die Hochschulen konsequent weiterprofiliert und ihre Leistungen gesteigert. Sie konzentrieren sich auf ihre Stärken in Forschung und Lehre. Das Ergebnis sind klare thematische und fachliche Schwerpunktsetzungen. Und manche Hochschulen setzen verstärkt auf innovative Lehrkonzepte, während andere sich vor allem als hervorragende Forschungsuniversitäten international etablieren wollen.
ZEIT:
Skeptikern zufolge steht am Ende eine kleine Elite von Universitäten, die alles haben und gewinnen, und eine Mehrheit von Hochschulen, die das Nachsehen haben.
Wintermantel:
Eben nicht! Nur indem sich die Hochschulen auf ihre Stärken konzentrieren, können sie im Wettbewerb erfolgreich sein. Falsch daran ist nur, dass einige die Profile in Kategorien von »besser« oder »schlechter« einordnen. Was ist an einer Hochschule, die sich auf die Lehre konzentriert, schlechter als an einer Forschungsuniversität? Dieses Schubladendenken müssen wir überwinden.
ZEIT:
Über Jahre lautete das neue Idealbild, das die Reformer für die von Ihnen beschriebene Umwälzung proklamierten, »die unternehmerische Hochschule«. Jetzt ist vor allem von SPD und Grünen zu hören, diese sei gescheitert. Zu Recht?
Wintermantel:
Gescheitert ist höchstens das Zerrbild, das mancher von der »unternehmerischen Hochschule« hatte. Dieser Begriff war nie im Sinne einer neoliberalen Ökonomisierung gemeint. Unsere Professoren sind viel zu unabhängig im Denken und Handeln, um sich von der Wirtschaft kaufen zu lassen. »Unternehmerisch« ist für mich eine Hochschule, die eigenständig im Sinne der Wissenschaft agiert und effizient mit ihren Geldern umgeht. Insofern ist sie auch eine Antwort auf die hohen Erwartungen der Gesellschaft und die zunehmenden Sparzwänge seitens des Staates. Dass das Verhältnis zwischen gestärkter Eigenständigkeit einerseits und Berichtspflicht gegenüber dem Staat andererseits immer wieder diskutiert wird, finde ich völlig in Ordnung. Ein grundsätzliches Zurück aber hin zu mehr staatlicher Kontrolle kann ich nirgendwo erkennen.
ZEIT:
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Hochschulen?
Wintermantel:
Wo fange ich an? Wir brauchen eine Debatte über den Wert von Bildung, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. So wie wir alle von guten Hochschulen profitieren, so profitiert der Einzelne von seinem Studium. Warum also sollen Menschen, die von einer qualitätsvollen wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung einen finanziellen Vorteil haben, nicht einen geringen Teil dieses Vorteils zurückgeben, etwa über nachgelagerte Studienbeiträge? Aber das ist ein unpopuläres Thema. Und dann wünsche ich mir Studierende, die sich nachhaltiger in die Hochschulpolitik einbringen.
ZEIT:
Tatsächlich? Gerade bei Bologna und Studiengebühren gab es doch heftige Studentenproteste – jeweils mit anderer Stoßrichtung als der von Ihnen bevorzugten.
Wintermantel:
Schon richtig. Ich meine aber kein punktuelles Protestieren, sondern ein dauerhaftes Mitreden auf allen Ebenen: in den Hochschulen genauso wie im bundespolitischen Kontext. Das kann ruhig noch mehr werden.
ZEIT:
Sie verabschieden sich jetzt aus dem hochschulpolitischen Tagesgeschäft. Was reizt Sie nach den Jahren im Zentrum des Sturms am DAAD?
Wintermantel:
Von wegen Abschied vom hochschulpolitischen Tagesgeschäft. Für mich ist die Aufgabe beim DAAD die logische Fortsetzung meiner Tätigkeit bei der HRK. Moderne Wissenschaft überschreitet Grenzen, Wissenschaftlerkarrieren verlaufen international. Es geht immer um das gleiche Ziel: Wissen schaffen, weitergeben und junge Leute möglichst gut ausbilden – damit sie Verantwortung übernehmen können, in der Wissenschaft genauso wie außerhalb.
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