An der Uni Freiburg sollte ein Forscherparadies entstehen. Dafür gab es Geld und das Siegel Elite-Uni. Jetzt sind Geld und Siegel weg – und das Paradies ist bedroht.
Bis vor Kurzem zählte Melanie Börries zur Elite, bald könnte sie arbeitslos sein. Börries ist promovierte Biologin und forscht mit ihren Kollegen am
Freiburg Institute for Advanced Studies (Frias). Als das Institut in einem schicken Neubau auf dem Freiburger Universitätscampus eröffnet wurde, knüpften sich große Hoffnungen daran: Es sollte eine Zukunftsperspektive für deutsche Hochschulen eröffnen und Freiburg ein für alle Mal als Elite-Uni etablieren. Doch heute, kaum vier Jahre nach der Eröffnung, geht dem Frias das Geld aus. Und als »Elite« gilt die Universität Freiburg inzwischen auch nicht mehr.
Mit ihrem Konzept für das neue Forschungsinstitut hatte die Freiburger
Albert-Ludwigs-Universität in der sogenannten Exzellenzinitiative des Bundesbildungsministeriums gewonnen. Ein Expertengremium hatte aus Dutzenden von Bewerbungen neun Hochschulen ausgewählt, die für ihre Zukunftskonzepte zusätzliche Fördermittel bekamen. 2007 wurde Freiburg wegen der Pläne zum Bau des Frias in den erlauchten Kreis dieser Elite-Unis aufgenommen und bekam dafür jährlich knapp elf Millionen Euro vom Bund.
»Die Idee war, einen Leuchtturm zu schaffen«, sagt Heiner Schanz, Prorektor für Lehre an der Universität. Er habe von einem Ort geträumt, an dem Spitzenforscher gefördert und untereinander vernetzt würden. Die besten Wissenschaftler der Universität Freiburg sollten in einem einzigen Gebäude vereint werden – unabhängig davon, ob sie menschliche Körperzellen erforschen oder skandinavische Kulturgeschichte. Rund 280 Forscher kamen ans Frias, einige aus bestehenden Universitätsinstituten, andere wie Melanie Börries von auswärts.
Ein Wohlfühlort für die Wissenschaft Wie die Vernetzung zwischen den vier am Frias angesiedelten Fachbereichen für Geistes- und Naturwissenschaften funktioniert, zeigen zum Beispiel die Dinner Speeches, von denen Melanie Börries schwärmt. Monatlich halten die Wissenschaftler Vorträge über Themen aus ihren Fachgebieten, und zwar »in so einer einfachen Sprache, dass jeder sie verstehen und anschließend darüber ins Gespräch kommen kann«, sagt Börries. Mal spricht ein Historiker, mal ein Musikwissenschaftler, und am Ende diskutieren alle gemeinsam.
Ein zweites Beispiel nennt Olav Krämer, der ebenfalls kurz nach der Gründung ans Frias gewechselt ist: Dem Germanisten hat es vor allem das Instituts-Café angetan. Das erinnert mit seinen verchromten Möbeln zwar an eine Flughafenbar, doch statt hektischer Reisender halten sich hier internationale Wissenschaftler auf. »Man kann ungezwungen mit anderen in Kontakt treten, gemütlich bei einer Tasse Kaffee über Fachgrenzen hinweg«, sagt Olav Krämer.
Sparversion des Elite-Instituts geplant
Die Dinner Speeches und das Café veranschaulichen, was das Frias sein will: ein Wohlfühlort für die Wissenschaft, ein Forscherparadies, in dem immerzu Geistesblitze zünden, auch nach Feierabend oder in der Kaffeepause. Melanie Börries forscht in der School of Life Sciences, dem biologischen Kern des Frias. Olav Krämer arbeitet an der School of Language and Literature. Die normale Uni ist weitläufig und bietet deshalb kaum Anreize zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit. Hier wären sich Börries und Krämer womöglich nie begegnet. Am Frias können die Forscher miteinander ins Gespräch kommen – und inspirieren sich dabei vielleicht auch gegenseitig zu neuen Forschungsprojekten und Erkenntnissen.
Dennoch entschied die Exzellenzinitiative im Juni 2012, dass das Frias nicht länger förderungswürdig sei. Zusammen mit der Uni Göttingen wurde der Uni Freiburg der Elite-Titel aberkannt, in anderthalb Jahren läuft zudem die finanzielle Förderung aus. Warum? Das wurde der Universitätsleitung zwar mitgeteilt, doch eine breite Diskussion gab es darüber nicht – und unter Studenten blieb der Aufschrei aus. »Das Frias gleicht einem Elfenbeinturm«, sagt Hannes Hein vom U-Asta, der Studentenvertretung der Uni Freiburg: »Die schlechte Einbindung des Instituts in die Universität war für uns immer ein Problem.« Das Frias sei zwar ein gutes Projekt für Wissenschaftler wie Olav Krämer, die ihre Positionen in Universitätsinstituten aufgegeben haben, um in Ruhe zu forschen. Nicht aber für die Freiburger Studenten. »Eine Vertretung für die abwesenden Professoren zu finden hat häufig nicht gut geklappt«, sagt Hannes Hein. »Manche Studenten, die gerade an ihrer Abschlussarbeit saßen, mussten plötzlich ohne ihren Professor weitermachen und sich neue Betreuer suchen.«
Ohne Geld keine Zukunft Der Prorektor Heiner Schanz widerspricht diesen Vorwürfen. Erstens sei für Ersatz für die Dozenten gesorgt worden, die ans Frias wechselten. Und zweitens sei die Lehre in Freiburg vorbildlich. Er will das Forschungsinstitut auch ohne Fördermittel vom Bund erhalten und spricht von »Frias 2«, einer Sparversion des alten Elite-Instituts. Dafür veranschlagt er einen Jahresetat von vier Millionen Euro, etwas mehr als ein Drittel der bisherigen Gelder. Unklar ist noch, wo dieses Geld herkommen soll. »Wenn keine finanzielle Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg oder andere kommt, dann ist eine Zukunft nicht denkbar«, sagt Schanz. Er befürchtet, dass sein Leuchtturm bald nur noch glimmt – oder schlimmstenfalls ganz ausgehen wird.
Was aus dem Frias wird – und aus den Wissenschaftlern, die zurzeit dort forschen und sich austauschen –, soll in diesem Wintersemester entschieden werden. Der Germanist Olav Krämer könnte nach dem Auslaufen seines Vertrages am Ex-Elite-Institut Ende 2013 zurück an das Deutsche Seminar der Uni Freiburg gehen. Für die Zellforscherin Melanie Börries wird es dagegen nicht so einfach. Sie schreibt jetzt Bewerbungen, um Ende 2013 nicht auf der Straße zu landen.